Contra-Mobil und Fachstelle gegen Frauenhandel zu Besuch in Flensburg
30.07.2025
Menschenhandel findet im Verborgenen statt, doch die Zahlen sind erschreckend: In der EU werden jährlich über 7.000 Betroffene von Menschenhandel registriert. In Deutschland gab es allein 2023 509 Ermittlungsverfahren, davon 319 im Bereich sexueller Ausbeutung mit 428 betroffenen Personen. Und weil es diese Verbrechen auch direkt vor unserer Haustür in Schleswig-Holstein gibt, haben wir den Internationalen Tag gegen Menschenhandel am 30. Juli genutzt, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen. Dazu besuchte mich das Contra-Mobil in Flensburg. contra.SH ist die landesweite Fachstelle für Frauen, die von Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution betroffen sind, und hat ihren Sitz in Kiel. Unter dem Dach des Frauenwerks der Nordkirche berät, begleitet und unterstützt contra.SH Betroffene kostenlos und anonym in ganz Schleswig-Holstein und arbeitet eng mit Behörden, Beratungsstellen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen.
Ihre Beratung erfolgt entweder im contra-Mobil oder in solidarischen Frauenfacheinrichtungen überall in Schleswig-Holstein. In den Räumlichkeiten des Frauennotrufes Flensburg habe ich mit Fachstellen-Leiterin Claudia Rabe, einer Contra-Mitarbeiterin sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Flensburg, Marie Sprute, über Maßnahmen für eine bessere Unterstützung der Betroffenen und eine effektivere Bekämpfung des Menschenhandels gesprochen.
Claudia Rabe (Leiterin von Contra.SH), Marie Sprute (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Flensburg) und die grüne Flensburger Landtagsabgeordnete Catharina Nies (v.l.) vor dem Contra-Mobil. Fotos: Jacob HornDabei waren wir uns einig, dass eine erfolgreiche Kooperation der Schlüssel für eine erfolgreiche Arbeit gegen Menschenhandel ist. Deshalb brauchen wir auf Landesebene eine Kooperationsvereinbarung für alle Formen des Menschenhandels, wie es sie etwa in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg bereits gibt. Das bedeutet: klare, verbindliche Abläufe und Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Ordnungsbehörden und Fachstellen wie contra.SH. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass der Aufbau einer solchen Kooperationsstruktur im Koalitionsvertrag steht, nun geht es an die konkrete Umsetzung.
Ein wichtiger Punkt ist dabei auch die so genannte Bedenk- und Stabilisierungsfrist für Opfer von Menschenhandel, Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 59 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Diese Frist soll den Betroffenen ermöglichen, sich von den Täter*innen zu lösen und über eine mögliche Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden zu entscheiden, ohne sofortige Abschiebungsandrohungen befürchten zu müssen. Sie beträgt mindestens drei Monate. Wenn contra Betroffene von Menschenhandel identifiziert, sollte das ausreichen, um diese Frist auszulösen.
Im Sinne eines engeren Zusammenwirkens aller beteiligten Akteur*innen gibt es in Flensburg bereits seit einiger Zeit den Arbeitskreis Prostituiertenschutz, der unter der Leitung der Gleichstellungsbeauftragten Marie Sprute dreimal im Jahr zusammenkommt.
"Für mich gehört das Thema Menschenhandel dazu, wenn wir die Istanbul-Konvention konsequent umsetzen wollen. Betroffene von Frauenhandel können wir stärken, indem wir Schutzplätze für diese besondere Gruppe anbieten."
Im Januar haben wir als Landtag 1 Million Euro für den Ausbau von Frauenhausplätzen und Schutzwohnungen auf den Weg gebracht.
Aus diesen Mitteln sollen auch erste Schutzplätze für Opfer von Menschenhandel in Schleswig-Holstein geschaffen werden. Damit ist ein Anfang gemacht.
Bei dem Treffen ist ein Filmbeitrag für Instagram und YouTube entstanden, den ihr hier sehen könnt: https://www.youtube.com/watch?si=I5nQPwi-7HZ4ySDq&v=EH9FV-71xKM&feature=youtu.be
Hintergrund:
Seit 2014 ist der 30. Juli der Internationale Tag gegen Menschenhandel. Jährlich wird an diesem Tag auf Menschenhandel als schwere Menschenrechtsverletzung aufmerksam gemacht. Laut UN sind 72% der Betroffenen von Menschenhandel Mädchen oder Frauen. Deutschland hat die UN-Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität und das Palermo-Protokoll gegen Menschenhandel 2000 unterschrieben. Ebenso hat Deutschland die Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels 2005 unterschrieben und 2012 ratifiziert. Mit der EU-Richtlinie gegen Menschenhandelist Deutschland ebenso weitere wichtige internationale Verpflichtungen eingegangen, um Menschenhandel zu bekämpfen, Opferrechte zu wahren und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Dass Handlungsbedarf besteht, hat auch die Bundesregierung erkannt und Ende 2024 einen Nationalen Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Betroffenen (NAP) verabschiedet. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bemängelt jedoch unter anderem die fehlende ausreichende und dauerhafte Finanzierung, insbesondere von Unterstützungs- und Präventionsmaßnahmen, sowie fehlende Maßnahmen zum Aufenthaltsrecht für Betroffene von Menschenhandel.
contra.SH ist eine Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein. Sie berät Frauen, die von Frauenhandel bedroht und betroffen sind. Dies impliziert Menschenhandel, Zwangsprostitution und Heiratshandel. Für Betroffene von Zwangsarbeit ist zusätzlich das Projekt Workers_SH bei contra gestartet. contraberät außerdem Behörden, Einrichtungen und Angehörige. Die Aufgaben erstrecken sich von mobiler psychologischer Beratung über Krisenintervention bis zur Begleitung. Dies erfolgt in Zusammenarbeit mit Behörden, regionalen Beratungsangeboten und Fachpersonal. Zudem gibt es eine gezielte Netzwerkarbeit mit Polizeidienststellen, Ordnungsbehörden und Zuwanderungsbehörden.